Aus der Geschichte von Altenessen
 


Gaststätte Kaisersaal, Ecke Hövelstraße / Altenessener Straße.
Postkarte um 1900
 


Das alte Rathaus in Altenessen, bei Luftangriffen 1943 zerstört.


Gerhard van de Water in seiner Bäckerei, 20er Jahre
 

Die Bäckerei van de Water

Ein bekannter Ort für die meisten Altenessener in den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren war die Bäckerei van de Water.
Ursprünglich stammte die Familie van de Water, meine Urgroß- und Großeltern, aus den Niederlanden. Aus der Schule entlassen, fand mein Großvater eine Lehrstelle als Bäcker. Großvater hatte Glück. Erfolgreich in seinem Beruf, schaffte er nach den Gesellenjahren die Bäckermeisterprüfung.
Geheiratet haben meine Großeltern im Jahre 1910. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen, das dritte Kind, ein Mädchen, ist meine Mutter.
Meine Großeltern hatten ein Ziel vor Augen: Sie wollten eine eigene Bäckerei gründen! Das dauerte natürlich seine Zeit! Bevor sie das geeignete Haus dafür fanden, lebten sie zunächst in Mülheim, dann in Altenessen in der Karlstraße. Bald hatten sie ein Haus an der Altenessener Straße gefunden. Dann konnte es mit der Selbständigkeit losgehen: Die Bäckerei van de Water wurde gegründet!
Das musste etwa im Jahre 1919 gewesen sein. Großvater war in der Backstube tätig, während Großmutter im Laden die Backwaren verkaufte. Für einige Zeit führten die beiden auch ein Cafe. Unter den Gästen waren viele Bergleute, die sich nach getaner Arbeit stärkten und Zerstreuung von der harten Arbeit unter Tage dort fanden. Dafür hatten meine Großeltern das Ladenlokal in zwei Räume unterteilt, da der Verkauf von Backwaren ja weiterging.
Das Geschäft boomte! Die Großeltern brauchten tatkräftige Unterstützung, da der Betrieb es mittlerweile erforderlich machte, dass in Tag- und Nachtschicht gearbeitet wurde. So stellten sie insgesamt sechs Gesellen, drei für den Tag und drei für die Nacht und einen Lehrling (heute Azubi) ein. Die Gesellen lebten bei den Großeltern, hatten dort volle Kost, Schlaflogis und ihren Arbeitsplatz.
Zusätzlich zur Arbeit im Laden bekochte meine Großmutter die hungrigen Mäuler. Unterstützung hatte sie durch ihre älteste Tochter Wilhelmine und eine Schwiegertochter.
Die Bäckerei van de Water belieferte zu ihrer Blütezeit Kunden bis Görlitz (Sachsen), sowie sämtliche Kaufhallen, z. B. die Kepa. Damals gab es noch verstärkt den Eisenbahnverkehr, weniger den Transport per LKW. Neben Brotwaren gab es im Angebot Torten und Wiener Böden, da sich mein Großvater auch als Konditor inzwischen einen Namen gemacht hatte.
Der zweite Weltkrieg forderte auch bei der Familie van de Water seinen Tribut. Das Haus erlitt einige Schäden durch Bombenangriffe. Die Bäckerei konnte nicht fortwährend geöffnet sein, da bei Alarm jeder zusehen musste, dass er schnell genug in den Bunker kam.
Nach dem zweiten Weltkrieg ging es mit der Bäckerei bergab, außerdem fehlte ein Nachfolger: Sohn Johannes, der älteste Sohn und zweite Bäckermeister, erkrankte während seiner Militärzeit in Frankreich, wovon er sich nie mehr erholte. Gerd, der zweite Sohn, war Schlosser und die beiden Töchter Wilhelmine und Magda hatten, wie es damals leider häufig so üblich war, keine anerkannte Ausbildung. Also musste der Bäckereibetrieb eingestellt werden. Die Backstube wurde umfunktioniert als Garage, der Laden ist heute Büro und Lagerraum einer Trockenbaufirma.
Das Haus an der Altenessener Straße ist immer noch vorhanden. Es wurde schon gründlich renoviert und hat heute ein schlichtes, aber gepflegtes Äußeres. Wo früher dort eine Großfamilie lebte, sind heute schon zwei Wohnungen an Fremde vermietet worden. Tochter Magda, meine Mutter, und ich leben dort noch als letzte Nachfahren der Familie van de Water.

Altenessener Straße, Höhe Bäuminghausstraße (links), um 1910


Ein Spaziergang über die Altenessener Straße

In früherer Zeit war die Altenessener Straße, damals die Essen-Horster Straße, eine wichtige Verbindung zur Stadt Essen. An Markttagen oder auch an Sonntagen zu den Kirchgängen herrschte hier reger Verkehr. Bauern aus Buer, Horst und Gladbeck brachten ihre Erzeugnisse in die Stadt. Schwere Fuhrwerke transportierten Kohle zu ihren Standorten. Postwagen verkehrten von Buer nach Essen und zurück. An jeder Haltestelle blies der Postillion in sein Horn. Die Eisenbahn brachte Reisende nach Altenessen. Dort ausgestiegen, erreichten sie über die „Chaussee" ihre Ziele. Nur wenige Häuser lagen hier am Weg.
Vom Bahnhof aus in Richtung Essen lag links die Bahnhofschule. Neben dieser befand sich die Gaststätte Crone, heute das Haus Stachels. Auf einem Platz neben dem Haus hielten oft die Fuhrwerke, die Pferde wurden ausgespannt und, falls erforderlich, von den Brüdern „Kneer" mit neuen Hufeisen versehen. Die Kutscher nutzten die Zeit, um bei einem Plausch etwas zu trinken.
Etwas weiter an der Ziegelei des Bauern Niehusmann vorbei, befand sich der Höltehof. Er war umgeben von Buchen und Eichen. Die Berne schlängelte sich hindurch. Oberhalb des heutigen Höltebergs standen einige Häuschen, umgeben von großen Ackerflächen. AmAnfang der Seumannstraße stand der Seumannhof. Von hier aus konnte man nach Norden weit über das Land schauen. Ging man links an ihm vorbei, führte ein Weg zu den Bauernhöfen Hundebrink und Niehusmann. Er wurde der Hohlweg genannt.
Auf der anderen Seite der Essen-Horster Straße befand sich ein großes Feld. Es lag zwischen Hövelstraße und Bäuminghausstraße. Rechts hinter der heutigen Schmemannstraße waren weitere Felder der Bauern. Im Winter war es auf der Straße am Berg immer sehr windig, es gab hohe Schneewehen. Von der französischen Besatzung wurden Pappeln gepflanzt. Sie sollten vor Wind und Schnee schützen. Nach vielen Jahren gaben sie der Straße einen Allee-Charakter.
Auf dem Berg befanden sich einige Häuser. Das Eckhaus gehörte Siezmann von der Weiden. Etwas weiter lag das Sägewerk „von Selle". Oft versperrten Wagen mit langen Baumstämmen beim Einbiegen die Straße. Die Viehofer Straße führte weiter in die Innenstadt. Die Essen-Horster Straße hat ihre alte, überregionale Bedeutung im Laufe der Jahre weitgehend verloren.
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