Wir sind am Ende unserer Reise kreuz und quer durch die Stadt. Rund 1000 Kilometer sind wir gefahren, über Berge und durch Täler, vorbei an Villen und Schrottplätzen, entlang am Fluss und durch Wälder. Zuletzt geht es über die Autobahn nach Frillendorf. Und zum ersten Mal stehen wir im Stau. Kein Stadtteil von Essen wird so oft im Rundfunk genannt wie Frillendorf. Die Frillendorfer freut das nicht. Für die 6400 Bewohner bedeutet das jedes Mal: Stau, Lärm, Dreck. Die A 40 mit Anschlussstelle A 52 ist für den Stadtteil wie ein Rückgrat, das zunehmend schmerzt.
Wir nähern uns dem Monstrum von der Seite, erkennen schon von
weitem die Lärmschutzwand. Sie war eine der ersten, die in Essen
errichtet wurden. In der Hombrucherstraße sind es keine zehn Meter
vom Wohnzimmerfenster bis zur Fahrbahn. "Das Rauschen der Autos
geht nie weg", sagt Manfred Borkenhagen. Es sei immer da, morgens,
nachts, an Festtagen, an Regentagen. Borkenhagen wohnt seit 42
Jahren an der A 40 in Frillendorf. Vielleicht 80 Meter sind es von seiner
Terrasse bis zur Überholspur. Aber er habe sich irgendwie daran
gewöhnt. "In den 60er Jahren war es längst nicht so schlimm wie
heute." Flüsterasphalt, das wäre ein Weihnachtsgeschenk für
die
Frillendorfer. Oder eine bessere Lärmschutzwand.
Der größte Wunsch ist jedoch die Verlegung der unfallträchtigen
Auffahrt, weg von der Stelle, wo sie nur stört. Ein richtiger Ortskern
fehlt.
Bewohner beklagen das. Statt dessen verfügt Frillendorf, das sich
vom
Ostviertel hinauf bis zur Stoppenberger und Schonnebecker Grenze
erstreckt, über das wohl größte Gewerbegebiet der Stadt:
Ernestine.
Scheinbar gibt es hier alles. Marmor, Möbel, Malerbedarf. Autos und
gegrillte Hähnchen. Räder, Weine, Fenster. Mittendrin sitzt der
Tüv, der
gleich an mehreren Stellen in Frillendorf zu Hause ist.
1220 wurde Frillendorf erstmals urkundlich erwähnt. Vrilinctrope,
was
soviel hieß wie "Dorf der Freien". Den Bauernschaften folgte auch
in
Frillendorf der Bergbau, und als der ging, kamen die Gewerbegebiete.
Ein gelungenes Beispiel vom Wandel einer Bergbaustätte zum
Gewerbekomplex ist der Schacht Emil der Zeche Königin Elisabeth. Das
ehemalige Betriebsgebäude aus dem Jahr 1911 steht unter
Denkmalschutz. Wohnungen sind darin entstanden, ein Künstleratelier,
ein Studio für Fotografie. Im Hinterhof bietet ein Bootsservice seine
Dienste an, daneben eine Firma für Bestattungsbedarf. Stapelweise
Särge stehen hier.
Fahren wir zu den angenehmeren Seiten des Lebens. Frillendorf ist ein
Stadtteil mit vielen Kleingärten. Die Anlage "Kleingartenfreunde
Ernestinenstraße" liegt direkt an der Eisenbahnstrecke nach Bochum.
Wer Züge mag, findet hier sein Freizeitparadies. Ohne Verkehrslärm
ist
aber auch das nicht zu haben. Überall rauscht der Verkehr in dem
Stadtteil. Zahlreiche Hauptstraßen passieren Frillendorf. Immer wieder
tauchen kleinere Gewerbeflächen auf. Die Nebenstraßen sind oft
dicht
bebaut. Und doch finden wir auch in Frillendorf die traumhafte Aussicht.
Von der Bonifatiusstraße führt ein Feldweg leicht bergauf und
endet an
einer großen Wiese. Hier ist das Modellfluggelände, hier gleiten
bei
schönem Wetter die Flieger in die Höhe. Die Aussicht von dem
Berg fällt
auf Zollverein, bei gutem Wetter weit hinaus Richtung Norden.
Architektonisch hat Frillendorf zumindest einen echten Knüller zu
bieten.
Es handelt sich um die Kirche zum Hl. Schutzengel an der Straße Auf
der Litten.
Der Bau stammt von Prof. Edmund Körner, der unter anderem auch das
Haus der Technik geplant hat. Die Schutzengelkirche ist der erste
Kirchenneubau im damaligen Erzbistum Köln, der nicht im
neugotischen oder neuromanischen Stil errichtet worden ist. Sein
ungewöhnlicher Stil hat schon vor der Vollendung des Bauwerkes ganze
Scharen von interessierten Besuchern angezogen. Stilistisch wird die
Kirche gerne dem Ziegelstein-Expressionismus zugerechnet. Konzipiert
war sie als eine christozentrische Gesamtanlage. Weihnachten 1924
wurde die erste Messe gefeiert.
Ganz fertig war das Gotteshaus erst in den 50er Jahren. Raus aus der
Stille. Frillendorf sei eigentlich gut angebunden, sagt ein Anwohner. Die
Autobahn habe nicht nur Nachteile. Wir fahren auf und sind ganz schnell
dort, wo wir vor 50 Wochen gestartet sind - in der Innenstadt.
(Quelle: www.waz.de, Gesichter der Stadt, Andreas Heinrich) zurück