Ja, auch der Essener Vorort Stoppenberg hat seine alte Sage. Ihr Schauplatz ist der etwa 74 Meter hohe Hügel, Stoppenberg (Stufenberg) genannt, der hier steil aus der Ebene hervorragt und dessen Spitze eine besonders schöne mittelalterliche Kirche ziert. Nur wenige kennen diese romanische Basilika, die bereits im Jahre 1073 von der Äbtissin Schwanhild erbaut und seitdem kaum verändert worden ist und heute zum Kloster der Karmelitinnen gehört.
In alter Zeit stand auf dem Stoppenberg ein heidnisches Heiligtum. Fest verankert in der Erde erhob sich hier eine riesige Säule in den Himmel. An dieser Säule kamen die Marsen zusammen, um zu ihrer Göttin Tafana zu beten und ihr Opfergaben darzubringen. Die Marsen waren ein germanisches Volk, das hier und anderswo in dem Gebiet zwischen Ruhr und Lippe ansässig war. Noch früher waren die Marsen einmal dem Volke der Sugambrer zugehörig gewesen. Nachdem aber fast alle Sugambrer von den Römern in einer gewaltigen Schlacht gefangengenommen und in ferne Gegenden verschleppt worden waren, war nur noch der Stamm der Marsen übriggeblieben. Die Marsen waren berühmt wegen ihrer Stärke und wegen ihres Mutes.
Als nun eines Tages ein anderer germanischer Stamm, die Cherusker, unter ihrem Führer Arminius gegen die Römer in den Kampf zogen, da schlossen sich ihnen die Marsen freudig an in der Erwartung, ihre ehemaligen Stammesfreunde, die Sugambrer, rächen zu können. Es wurde ein langer Feldzug. Aber schließlich kam es zur Entscheidungsschlacht im Teutoburger Wald, wo die vereinten germanischen Stämme ein riesiges Römerheer in die Flucht schlugen. Den Siegern fielen unermeßliche Reichtümer in die Hände. Besonders stolz aber waren die Marsen, daß sie einige römische Legionsadler erbeutet hatten. Das waren buntbemalte Zeichen mit einem aufgesetzten, goldüberzogenen Adler aus Holz, die die einzelnen Abteilungen der römischen Soldaten vor sich herzutragen pflegten.
Stolz und umjubelt kehrten die Marsen nach der großen Schlacht in ihre Heimat zurück und brachten ihre Siegeszeichen, die römischen Legionsadler, zur Tafanastätte auf dem Stoppenberg, wo sie diese zu Ehren ihrer Göttin feierlich verbrannten.
Die Marsen glaubten, nun für einige Zeit vor Überfällen der Römer sicher zu sein. Aber sie hatten sich geirrt. In aller Heimlichkeit zogen die Römer in ihrem linksrheinischen Lager Xanten ein großes neues Heer zusammen, das die Niederlage im Teutoburger Wald rächen sollte.
Als den Römern derTag gemeldet wurde, an dem die Marsen wieder einmal ein großes Fest auf dem Stoppenberg feiern wollten, da machten sie sich auf den Weg dorthin. Um unbemerkt zu bleiben, vermieden sie es allerdings, über die großen Heerstraßen zu ziehen. Ihr Weg führte sie stattdessen über kleine Pfade, durch unwirtliche Gegend, undurchdringliche Wälder und sumpfigen Morast.
Die Römer hatten ihrem Zug Späher vorausgeschickt, die den Weg erkunden, aber auch das Verhalten des Feindes beobachten sollten. Sie brachten die Nachricht, daß die Marsen an keine Gefahr glaubten. Sorglos hatten sie sich an der Tafanastätte zusammengefunden, ihrer Göttin ein Opfer dargebracht und feierten ein fröhliches Fest, tranken, scherzten und tanzten bis in die späte Nacht hinein. Da beschleunigten die Römer ihren Marsch, der durch eine sternklare Nacht und helles Mondlicht begünstigt wurde.
Früh am nächsten Morgen trafen die Römer am Stoppenberge ein. Sie sahen ihre Feinde schlafend und ohne Waffen an den niedergebrannten Feuern liegen. Auf ein Kommando ihres Heerführers Germanicus fielen die Römer nun über die wehrlosen Opfer her. Die Schlacht war kurz und grausam. Keinem der Marsen gelang die Flucht; alle wurden von den Römern niedergemacht. Ganz zum Schluß, als sich keine Feindeshand mehr regte, da holten die Römer nochmals mit ihren Streitäxten aus und hieben solange auf die Tafanasäule ein, bis sie berstend brach und in tausend Stücke zersprang.